Netzwerkwochenende

Weiterbildung, Netzwerken, Wiedersehen und Kennenlernen – dafür steht seit jeher das Netzwerkwochenende von Vinissima Frauen & Wein e.V. Dieses Jahr trafen sich 120 Weinfachfrauen aus ganz Deutschland dafür im Herzen der Pfalz, genauer in Neustadt a.d.W. Das Motto in diesem Jahr: „Am Puls – IMPULSE!“
Freitag: Verwinkelte Gassen und Pfälzer Weine
Für alle früh angereisten Vinissima begann der Freitag mit einer Führung durch die historische Altstadt von Neustadt mit verwinkelten Gassen, märchenhaften Brunnen und der gotischen Stiftskirche. Durch die Stadt geführt hat Vinissima Barbara Fröhlich-Zeller, die als Wein- und Kulturbotschafterin der Pfalz außerdem einen Sektempfang vorbereitet hatte.
Abends ging es weiter in der Tanzmanufaktur – eingeladen hatten die regionalen Vinissima zu einer genauso informativen wie unterhaltsamen und genussreichen Pfalzweinreise. 27 Weine mit Persönlichkeit, Terroir und Geschichte konnten die Weinfachfrauen verkosten und so die Vielfalt der Pfalz im Glas erleben.
Passend zur Location gab es einen besonderen Programmpunkt – gemeinsam versuchten sich die Frauen am Linedance. Und natürlich galt der Abend dem Austausch und dem Netzwerken.
Samstag: Von Herausforderungen, Lösungen & ganz vielen Impulsen
Der zweite Tag des Netzwerkwochenendes steht für Weiterbildung und fachlichen Austausch. Dafür trafen sich die Frauen am Weincampus Neustadt. Trixi Bannert begrüßte als erste Vorsitzende des Netzwerks und Prof. Dr. Maren Scharfenberger-Schmeer als Hausherrin alle Vinissima.
Die Vorträge begannen mit einer Keynote der DWI-Geschäftsführerin Monika Reule. Sie zeigte die aktuellen Entwicklungen am Weinmarkt auf und diskutierte insbesondere die Herausforderungen. Denn auch wenn die Menge an produziertem Wein weltweit zurückgehe, gebe es immer noch eine Überproduktion. „Der Konsum geht überall massiv zurück“, analysierte sie. Und kritisierte: „Es stimmt nicht, dass immer mehr Alkohol getrunken wird. Der Anti-Alkohol-Lobby muss man etwas entgegensetzen.“ Für diese klare Haltung gab es Applaus von den Weinfachfrauen.
Speziell für den deutschen Wein sieht Reule weitere Herausforderungen: „Wir sind ein Importland. Alle drängen auf unseren Markt – und das über die Preise.“ Dafür müssten alle Betriebe eine eigene Strategie entwickeln. Positive Entwicklungen auf niedrigem Niveau sieht sie beim alkoholfreien Wein, der gerade bei Jüngeren gefragt sei. Außerdem käme speziell deutscher Riesling auf wachsenden Exportmärkten wie China gut an. Trotzdem blieb ihr Fazit ernüchternd: „Nicht alle Betriebe werden durch die Krise kommen.“
Mögliche Wege aus der Krise zeigte Vinissima Jasmin Kettenbach von der Vicosmo GmbH auf. Sie nahm insbesondere die Weinkonzepte von Discountern und Supermärkten in den Blick, denn „die repräsentieren 64 Prozent des Marktes“, so die Expertin. Für kleinere Produzenten gebe es beispielsweise die Chance, im regionalen LEH gelistet zu werden. „Gerade sie sollten sich mit Storytelling beschäftigen, um ihre Marken aufzubauen."
Workshops am Nachmittag
Aber was nützt die beste Marke, wenn keiner etwas davon mitbekommt? Darum nahm Ina-Johanna Becker, Social Media Managerin beim DWI, das Thema „Social Media“ in den Blick. Sie zeigte, auf welche Plattformen Produzenten und Händler setzen können. Ganz praktisch veranschaulichte sie zudem, wie erfolgreiche Inhalte geschaffen werden können.
Zeitgleich sprach Dominik Durner, Professor am Weincampus Neustadt, über die Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz in der Weinbranche. Dabei ging es insbesondere um die Möglichkeiten kleinerer Produzenten: „KI kann hier helfen“, erklärte Durner. Etwa im Bereich der Etikettengestaltung.
Im Praxis-Workshop inklusive Verkostung mit Dr. Christina Kurz und Sarah-Marie Evers von Erbslöh ging es um die Frage, wie sich das Aroma von Wein durch bestimmte Hefen- und Tanninzugaben verändert. Die beiden Referentinnen zeigten auf, welche Potenziale und Herausforderungen Weinproduzenten hier zur Verfügung haben.
Young Talents auf der Bühne
Und dann, auch das ist fester Bestandteil des Netzwerkwochenendes, zeigten drei Frauen von den Wein-Hochschulen, womit sich die junge Generation wissenschaftlich beschäftigt. Paulina Wendling (Hochschule Heilbronn) hat sich in ihrer Abschlussarbeit mit den Chancen und Herausforderungen bei der Vermarktung von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten beschäftigt. Ria Eitel (Weincampus Neustadt) hat alternative Unterstockbegrünung untersucht und Klara Kötting (Hochschule Geisenhei) hat Frauenbildern in der Weinkommunikation erforscht. Und das Auditorium zeigte sich beeindruckt – wie eloquent die Frauen auftraten und mit was für zukunftsrelevanten Themen sie sich beschäftigten!
Nach viel fachlichem Input und lebhaften Diskussionen gab es einen stärkenden Vortrag von Katja Prinz aus der Stabsstelle Vernetzung und Beratung der Landwirtschaftskammer Saarland: Sie zeigte, wie jede Unternehmerin ihre Sicht auf Herausforderungen anpassen kann. Die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen, sei wichtig, um Unternehmen in die Zukunft zu führen.
Abends trafen sich die Vinissima im bezaubernden Gewölbekeller der Sektkellerei Heim. Es gab tolles Essen, jede Menge Wein zum verkosten – denn jede hatte eine Lieblingsflasche mit einer persönlichen Geschichte mitgebracht – Gespräche und natürlich auch Musik.
Sonntag: #MeToo in der Weinbranche
Nach einem fröhlichen Abend ging es am Sonntag mit einem wichtigen, aber auch ernsten Thema weiter: Sexismus in der Weinbranche. Viele Frauen können Geschichten dazu erzählen. Aber wie relevant ist das Thema wirklich? Warum wird #MeToo in vielen Branchen diskutiert, nicht aber in der Weinbranche? Das fragte Vinissima Beirätin Christine Berthold stellvertretend für die erkrankte Christiane Meister-Mathieu, Pressereferentin von Vinissima und Journalistin.
Historikerin und Mediatorin Eva Hock ging noch weiter zurück und blickte auf die mehr als 10.000 Jahre währende Geschichte des Patriarchats. Ihre historische Einordnung zeigte, wie tief diese Strukturen in unserer Gesellschaft verwurzelt sind – und wie auch Frauen diese verinnerlicht haben. Ein Vortrag, der die anwesenden Frauen spürbar bewegte.
Im Anschluss daran wurden die Ergebnisse einer internen Vinissima-Umfrage präsentiert. 170 Weinfachfrauen hatten daran teilgenommen und die Analyse zeigte, wie Sexismus auch heute noch Teil der Berufswelt vieler Frauen im Weinsektor ist. In der offenen Diskussion zeigte sich: Die Betroffenheit ist groß – noch größer aber der Wille, etwas zu verändern.
Der Vinissima-Vorstand kündigte an, Sexismus in der Weinbranche mit einer Veranstaltungsreihe weiter anzugehen. „Das Thema ist für uns alle schwierig“, sagte Trixi Bannert. „Aber gemeinsam darüber sprechen zu können, hat etwas sehr Heilsames. Und wir können voneinander lernen und uns gegenseitig stärken.“
Nach dem letzten Programmpunkt hatten die Vinissima vor der Abreise noch die Möglichkeit, drei Vinissima-Weingüter in der Pfalz zu besuchen: Schloss Janson, das Weinwerk Reinhardt und das Wein- & Sektgut Wilhelmshof.
Inspiriert und motiviert ging es dann nach Hause!
Text: Christiane Meister-Mathieu
Fotos: Lena Geib & Isabel Gil